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TV 2.0

Spiegel.de titelt „Fernsehen ist tot“ und beschreibt bereits im August 2006 das Ende des klassischen Fernsehens. Knapp zwei Jahre später lebt das Fernsehen immer noch. Aber seitdem ist viel passiert: „Das Überallfernsehen“ ist im Garten aufgestellt, auf dem Handy oder iPod flimmert der Extra 3 Video-Podcast und auf YouTube.de können die besten Sketche von Switch (Pro7) neben den peinlichen Selbstinszenierungen vom „Schlagerfuzzi 2.0“ Alexander Marcus betrachtet werden.

Das Fernsehen als Massenmedium übermittelt Informationen von einem Sender zu einer Vielzahl von Empfängern (one-to-many). Die Inhalte werden gesendet bzw. versendet, auch wenn der Empfänger gerade  keine Zeit oder Möglichkeit hat diese zu empfangen. Der Rezipient kann zum Sender keinen Rückkanal aufbauen und fungiert lediglich als Informationskonsument. Mit dem Medium Internet wird erstmalig in der Geschichte der Menschheit ermöglicht, dass potentiell jeder Mensch, egal von welchem Ort, mit allen Menschen der Welt one-to-one, one-to-few aber auch one-to-many kommunizieren kann. Er kann in Sekundenschnelle auf das Wissen und die Inhalte aller Informations-Sender zurückgreifen.

USER ERSTELLEN INHALTE

Das Freigeben und Tauschen von Informationen, Wissen und medialen Inhalten ist bezeichnend für die nächste Generation des Internets geworden. Als Web 2.0 wird inhaltlich ein Mitmach-Internet verstanden, bei dem das Verhältnis von Konsumenten und Produzenten verschwimmt. Die von Benutzern bereit gestellten und hoch geladenen Inhalte werden „User generated Content“, kurz UGC, genannt. Bisherige Konsumenten werden somit gleichzeitig zu Produzenten. In der Symbiose dieser beiden Funktionen ist die Bezeichnung Prosument bzw. Prosumer entstanden.

Der Inbegriff für User Generated Content und das Mitmach-Internet sind im Web 2.0 die Videoplattformen geworden. Im Februar 2005 gründeten Chad Urley, Steve Chen und Jawed Karim „YouTube“, was frei übersetzt soviel wie „Dein Fernseher“ heißt. Im Juli 2006 wurden bereits 65.000 Videos pro Tag online gestellt und täglich 100 Millionen Clips angesehen. Die Benutzer generieren nahezu unendlichen neuen Content.

Die Videoclips auf YouTube beanspruchen inzwischen weltweit mehr als 10 Prozent der gesamten Internet-Bandbreite. Das Internet wird somit eine wachsende Alternative als technischer Informationsverbreiter für multi-medial Inhalte. Ein Trend vor dem sich auch die klassischen TV-Sender nicht länger verschließen konnten.

DIE BRANCHE HOLT AUF

NBC Universal und News Corp vom Medienmogul Robert Murdoch haben einen Deal geschlossen mit AOL, Microsoft, MySpace und Yahoo! und gingen im Oktober 2007 mit der Videoplattform „Hulu“ online. Hierüber laufen eigene Serien in voller Länge. Viacom beteiligt sich inzwischen am P2P-Videonetzwerk „Joost“, bei dem die Videodaten nicht zentral von einem Server kommen, sondern wie bei den einstigen verhassten Tauschbörsen, eben durch die Gesamtheit der aktiven Nutzer dezentral bereitgestellt wird. Viacom lizenziert alle seine Inhalte für Joost und schon im Juli 2007 lief die Premiere der Comedyserie „I Hate My 30s“ online und nicht im Fernsehen.

Beim ZDF sind nahezu alle Inhalte online in der Mediathek unter www.zdf.de/ZDFmediathek abrufbar. Privatsender wie Pro7, Sat 1 und RTL haben auf ihren Webpräsenzen unlängst Videobereiche mit „Ganzen Folgen“ oder eigene Videoportale wie Clipfish und MyVideo eingerichtet.

Parallel dazu entwickeln sich mit eigenen gebrandeten Kanälen die ersten Videoplattformen zu TV-Insellösungen. So setzt zum Beispiel der deutsche Anbieter Sevenload verstärkt auf Nachwuchskünstler und bietet an, einen eigene Sendung mit individuellem Layout auf einen der bislang 22 Kanäle zu erstellen. Auf je einem Kanal befinden sich dabei mehrere themengleiche Formate.

Bei Veoh.com haben sich die TV-Sender NBC und Showtime einen eigenen Channel eingerichtet und bei Panjea.com kann sich jeder seinen eigenen TV-Kanal aus den Videos anderer Videoplattformen zusammen-stellen. Die Channels bieten vor allem den Vorteil, dass sich Interessierte genau diesen auch per RSS Feed abonnieren können und immer über neues Material informiert werden. Im Fernsehen muss man sich selbst informieren, wann seine Lieblingsserie kommt und dann dafür Zeit haben. Im Web 2.0 wird man auf eine neue Folge hingewiesen und kann sich diese anschauen, wann immer man Zeit und Lust dafür hat.

WAS KANN MAN UNTER DEM BEGRIFF „TV 2.0″ VERSTEHEN?

Bei einem sich schnell ändernden, sehr dynamischen Medium Internet soll zu diesem Zeitpunkt nur ein erster Versuch einer Definitions-Annäherung beschrieben werde: TV 2.0 ist das sich langsam ändernde Konsumverhalten von Bewegtbildinhalten. Es beschreibt die Auflösung der Trennung von Produzent und Konsument und das Verschmelzen sowie Auseinandertriften der Rollenverhältnisse von Sendern, Sendungen und Formaten einerseits und den Rezipienten andererseits. (vgl. Gugel, Betram / Müller, Harald: TV 2.0. Juli 2007)

RIEPLSCHES GESETZ

Bereits 1913 formuliere Wolfgang Riepl, Chefredakteur der „Nürnberger Zeitung“, dass kein neues, höher entwickeltes Medium ein altes vollständig verdrängt, sondern lediglich dessen Funktion verändert. Er kommt zu dem Schluss, dass bestehende Medien von neuen „niemals wieder gänzlich und dauernd verdrängt und außer Gebrauch gesetzt werden […], sondern sich neben diesen erhalten, nur dass sie genötigt werden, andere Aufgaben und Verwertungsgebiete aufzusuchen.“ Zeitungen haben nicht das Buch ersetzt, Radio nicht die Zeitung und TV nicht das Radio. Es bleibt also auch hier abzuwarten, ob das Internet das Fernsehen ablösen oder nur verändern wird.

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